„WENN ES BALD FRÜHLING WIRD, GEHT ES DIR BESTIMMT WIEDER BESSER!“

„Guck mal, heute ist sooo schönes Wetter! Geh doch mal raus, die Sonne scheint einfach herrlich und die Vögel zwitschern so schön!“
Wenn es mir nicht gut geht und die Leute kommen mir mit dem Wetterbericht, macht mich das sprachlos. Als ob jedes psychische Tief seine Ursache allein im schlechten Wetter hätte! Kein Zweifel, eine gute Dosis Vitamin D, Bewegung an der frischen Luft und eine Vase mit frischen Tulpen können tatsächlich unsere Stimmung aufhellen. Aber wie oberflächlich kann man sein, dass einem auf die Aussage „mir geht es derzeit nicht so gut“ nichts anderes einfällt als „Warte doch mal! Wenn es nächste Woche wieder sonniger ist, wird es Dir bestimmt besser gehen!“ Und als Zusatz kommt dann am besten noch: „Bei Regenwetter fällt es mir auch immer schwer, aus dem Bett zu kommen.“
Da kriege ich selbst jetzt bei Schreiben das große Augenrollen!

Aber in solchen Fällen hilft es nicht, zu diskutieren und sich zu erklären! Schenken Sie sich das! Nicken Sie stattdessen, sagen Sie „Ja, ganz bestimmt“ und segnen Sie dieses arme Menschenkind! Denn jene Wetter-Psychologen werden wir nicht überzeugen. Selbst dann nicht, wenn wir sie einmal darüber in Kenntnis setzen, dass die Jahreszeit mit den höchsten Suizidzahlen nicht der Herbst ist, sondern der Frühling!
Natürlich hat man schon einmal von saisonaler Depression gehört. Im Frühjahr und Sommer ist man gut drauf, doch sobald die Tage kürzer und dunkler werden, fällt man wieder in ein Loch. Da ist es naheliegend, dass viele Nichtbetroffene das Wetter ins Spiel bringen, sobald man andeutet, man sei zurzeit ein bisschen depressiv. Und dass das Wetter einen Effekt auf unsere Psyche hat, ist ja nicht zu leugnen! Es ist nur nicht die einzig mögliche Ursache für ein psychisches Tief und sicher auch nicht das ultimative Heilmittel. Freudlos vor Frühlingsblumen zu sitzen, traurig in den strahlend blauen Himmel zu schauen, keinen Antrieb zu verspüren trotz Frühlingsluft und Vogelgezwitscher, das können tatsächlich Anzeichen einer depressiven Verstimmung sein, Frühling hin oder her! In solch einem Fall gilt es, Hinweise auf den Wetterbericht gnädig abzunicken und gleichzeitig sich selbst ernst zu nehmen. Dann braucht es in jedem Fall Verständnis und vielleicht auch ein bisschen Hilfe.