Trallalla oder Therapie?
2010. Ich befinde mich mit einem schweren Burnout auf der psychosomatischen Station der Klinik Hohe Mark und man hat mir Schaumbäder verordnet! Dann soll ich noch an der Morgengymnastik teilnehmen, am Gruppenspaziergang und an der Tanz- und Maltherapie. Echt jetzt? Warum machen die nicht irgendeine hardcore Gruppentherapie mit mir? Ich bin wirklich zu allem bereit! Aber Baden und Spazierengehen? Fällt denen nix besseres ein? Zum Glück bin ich nicht auch noch in der Töpfergruppe oder im Trommelkreis! Steckte ich nicht schon in der Krise, ich würde sie hier kriegen!
Daran muss ich jedes Mal denken, wenn ich in meiner Praxis frage: „Was tut Ihnen gut? Was hat Ihnen als Kind Freude bereitet?“ Daran muss ich denken, wenn ich Blättchenfühlen, Himmelblicke, Schmetterlingsumarmungen oder 47/11-Atmung empfehle. Fällt auch mir nichts besseres ein?
Heute weiß ich: Das ist manchmal das Beste! Zunächst! Denn was macht die Kunsttherapie? Was bewirken Tanz, Musik und Achtsamkeitsübungen?
Zu lange war das Gehirn durch Grübeln und Gedankenkarusell blockiert. „Was ist, wenn…? Ich muss…! Ich kann doch nicht…!“ Zu lange funktionierten wir im Überlebensmodus! Und das alles hat uns nicht nur nirgendwo hin gebracht, sondern hat uns auch unendlich viel Energie gekostet!
Deshalb gilt es als erstes, jene Gehirnbereiche, die für Problemlösung zuständig sind, wieder zu aktivieren, damit uns das gesamte Lösungsspektrum unseres Gehirns auch tatsächlich zur Verfügung steht.
Wundern Sie sich also nicht, wenn auch ich vielleicht Baden, Autopolieren oder Fotografieren verordne! Jene Aktivitäten eben, für die wir uns zugunsten der „wirklich wichtigen“ Dinge, immer weniger Zeit genommen haben. Und das geht dann meist so lange, bis wir am Ende sogar meinen, mit all dem nichts mehr anfangen zu können.
Dann wird es höchste Zeit, die ungenutzten Hirnareale wieder zu fordern und zu beanspruchen, um den aktuellen Teufelskreis zu unterbrechen und jene Potentiale freizuschalten, ohne die eine Wende nicht gelingen kann.
Das Trallalla in der Therapie ist also nicht zu unterschätzen!