UNGELEBTES LEBEN (TAGEBUCHEINTRAG AM LETZTEN URLAUBSTAG)

Ich liebe Draußensein! Ich liebe den Sommer. Das ist meine Zeit!
Ich fühle Traurigkeit. Eine Wespe ist soeben in meinem Kaffee ertrunken. Sie umschwärmte mich schon eine ganze Weile und ich habe noch versucht, sie telepathisch 🙂 zum Fallobst zu schicken. Doch sie blieb um mich, landete plötzlich in meiner Tasse und war ertrunken, ehe ich sie retten konnte. Auf einem Mooskissen habe ich ihr ihre letzte Ruhestätte bereitet. Seltsam, dass mir dieser kleine Tod so nahe geht. Ich fühlte mich mit ihr verbunden und habe ihre Seele noch gegrüßt.
So ist das: Leben und Vergehen, Kommen und Gehen, Aufblühen und Verwelken… Das ist der Lauf der Dinge. Angesichts dessen ist es verwunderlich, dass ich mich gar nicht mit meinem eigenen Leben beschäftigen will. Ich lenke mich lieber ab und immer gibt es Wichtigeres zu tun.
Gestern hatte ich einen kleinen Nervenzusammenbruch und mir wurde klar, wie viel Energie in mir ist, die mit Schmerz und unerfülltem Leben zu tun hat. Aber das Hamsterrad hält mich gefangen. Oder gibt es mir Halt?… Meine Freundin Natalie sagt, „Ja, das Hamsterrad gibt Sicherheit, aber zu einem hohen Preis. Der Preis heißt Freiheit, denn das Hamsterrad ist ein Käfig und die Sicherheit nur eine Illusion. Stattdessen gilt es, auszusteigen und zu leben!“
Vielleicht male ich heute einmal. Ich habe ja Zeit…

Ich habe gemalt. Und das Bild erzählt eine ganze Menge! Es berichtet von Ressourcen, von viel Raum, von Schönheit und von Natur. Es zeigt aber auch eine Sache, die sich erst Raum machen muss. Das Bild ist nicht düster, wie ich angenommen hatte, dass es werden würde. Da ist viel „Ich kann!“ und „Ich darf!“ und „Ich habe!“ Gerade fällt mir auf, mein Nervenzusammenbruch kam in einem Augenblick, in dem es mir schien, als hätte ICH, als hätte MEIN Leben keinen Raum. Da hat es sich Raum gemacht!
Und das Ergebnis ist, dass ich jetzt hier sitze. Dass ich heute das tue, was mir selbst auf der Almhütte letzte Woche nicht hatte gelingen wollen, nämlich zu MIR zu kommen, MIR zu begegnen. Und es ist gar nicht so schlimm. Im Gegenteil! Es ist schön, Zeit mit MIR zu verbringen.