RAUM
RAUM. Was für ein Zauberwort! Ich überlege ob ich ein Buch mit diesem Titel schreiben sollte, weil mir zu diesem einen Wort so viele Gedanken kommen. Bis ich etwa 40 Jahre alt war, kannte ich den Begriff RAUM nur als Synonym für Zimmer. Na gut, nehmen wir mal die Worte LebensRAUM oder LuftRAUM noch mit hinzu. Dann hörte es aber schon auf.
Bis zu einem Tag im Frühjahr 2010, an dem mich meine Tanztherapeutin aufforderte, den RAUM in mir zu spüren. Wie bitte? Welchen RAUM? Okay, atmen also und dabei spüren wie die Luft sich in mir RAUM macht und sich der RAUM beim Ausatmen auch wieder verkleinert. Soweit so gut. Dann sollte ich meine Augen schließen und mir vorstellen, ich würde sie innerlich wieder öffnen. Wie sieht mein innerer RAUM heute aus? Rot. Ein bisschen dunkel, aber nicht ganz. Schummerlicht. Angenehm. Wattebauschig und warm. Der Raum ist sehr klein. Die Wände berühren mich und passen sich mir an. Es gibt keine Tür, aber das ist gut so und macht mir keine Angst. Ich habe das Bedürfnis, mich hinzulegen. Das ist erlaubt und die Therapeutin deckt mich mit einer Decke zu. Ich rolle mich darunter zusammen und jetzt spüre ich es! So muss sich Mutterleib anfühlen. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass sich auf dem Grund meiner Depression so ein Gefühl einstellen könnte! Ein Gefühl von Sicherheit, Frieden und Geborgenheit. Ich möchte mich bemerkbar machen, signalisieren, dass ich da bin. So ganz in dieser Erfahrung, ist es für mich stimmig, meinen Ellebogen etwas gegen die Decke zu strecken. Ich spüre die Grenze meines Raumes, bin mir aber bewusst, dass es außerhalb einen weiteren Raum gibt. Und dann bin ich Ungeborenes und Mutter zugleich und höre mich denken: „Ach! Guck an! Wer ist denn da? Herzlich Willkommen!“ Plötzlich fühle ich ungeheure Freude und da ist Berührtsein und Staunen.
Das war meine erste bewusste RAUMerfahrung und seither sind viele hinzugekommen. In diesem Wort steckt ein Zauber und so höre ich mich nun auch in meiner Praxis fragen: „Und wenn Sie der Traurigkeit einmal einen kleinen Raum schenken, in dem sie einfach da sein darf, was passiert dann?“ Oder ich frage eine Klientin, worauf ihre (Körper-) Fülle sie vielleicht aufmerksam machen möchte und staune über ihre Antwort: „Sie verschafft mir mehr RAUM in dieser Welt!“
„Ach! Guck an! Herzlich Willkommen!„